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Die Kunst der Enthaltsamkeit

Aktualisiert: 5. Sept. 2018

Viele alte Heiltraditionen und Bewusstseinswege predigen eine gewisse Enthaltsamkeit. Und gleichzeitig soll es doch vorallem darum gehen, frei und lebendig zu werden, um eine erfülltes Leben zu leben. Wie passt das zusammen?



Heutzutage leben wir im Westen in überwältigender Fülle: es gibt mehr auf dem Markt, als wir konsumieren können, wir tauschen uns in sekundenschnelle über den Globus hinweg aus, Informationen erreichen uns über unzählige mediale Kanäle, das Leben ist mit so viel Bürokratie und abgehobener Organisation verbunden, das man schnell den Überblick verliert. In diesem Chaos einmal zu sich selbst zu finden, ist da eine wahre Kunst. Wir sind zudem so darauf trainiert, alle Bedürfnisse sofort zu befriedigen, dass kaum ein Moment der Leere in unserem Leben ist. Und selbst, wenn man es schafft, eine Stunde am Tag zu meditieren, was hat sich dann im Leben wirklich verändert, wenn man den Rest des Tages trotzdem nur in Gedanken an Gestern und Morgen verbringt und einem das Leben zwischen den Fingern zerrinnt. Denn der jetzige Moment ist der einzige Augenblick, sich lebendig zu fühlen, wahrzunehmen, zu erleben.


Verzicht kann uns ein neues Gleichgewicht lehren.

Für eine Zeit lang auf etwas zu verzichten, was wir sonst wie automatisch tun oder konsumieren, kann uns helfen, wieder eine Lücke zu schaffen im Rad der Gewohnheit. Man bricht aus den Mustern aus und spürt nach einer Weile der Abstinenz erst wieder, zu was und auf welche Art man sich wirklich hingezogen fühlt. Auf allen Ebenen kann es zu einem Innehalten führen, ob es bei dem Verzicht nun um Nahrung, Sexualität, Gewohnheiten oder anderen Konsum geht.

Gleichzeitig sollte es dabei nicht um noch mehr Verbote gehen, davon haben wir schon genug in uns. Man sollte sich auf keinen Fall unter Druck setzen, ein Ziel erreichen wollen oder sich selbst Stress verursachen. Es geht eher darum, einfacher zu leben, einmal wieder auf "Null" zu kommen.


Die Unterdrückung unseres wahren Wesens wurde im Laufe der Menschheitsgeschichte so tief in uns geprägt, dass es einiges braucht, um wieder zu unseren Kern durchzubrechen. Es verlangt viel Ehrlichkeit, Achtsamkeit und Beharrlichkeit, also auch viel Energie, um den Weg zu sich selbst zu finden.

Und dabei verschwenden wir soviel Energie im Außen und überdecken unsere leise Sehnsucht nach dem tieferen Sinn oft mit oberflächlicher Befriedigung von kurzweiligen Bedürfnissen. Hier hießt es einmal stillzustehen...

Im praktischen Leben auf etwas zu verzichten, kann gut tun, um wieder einen gesunden Umgang damit zu finden. Der viel wichtigere Verzicht findet aber im Innern statt: um sich im emotionalen Chaos wieder zurecht zu finden und damit auch iin unseren Beziehungen braucht es ebenfalls dieses Stillwerden. Statt immer sofort auf ein schwieriges Gefühl z.B. mit Abwehr und Verdrängung zu reagieren oder auf einen anderen Menschen mit Wut und Aggression, ermöglicht uns dieses Innehalten, frei zu werden. Nicht länger aus einem Muster heraus auf die Welt zu antworten und z.B. Verletztheit auf andere abzuladen, sondern sie in sich zu halten, zu fühlen und einfach damit da zu sein, ist der erste Schritt in eine neue Wahrnehmung.

Und eine neue Wahrnehmung brauchen wir, wenn wir in Frieden auf dieser Welt leben wollen...


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